8. September 2014

Qual der Wahl in Brandenburg – die Parteien und die Braunkohle



Bei der Landtagswahl am 14. September gegen neue Tagebaue zu stimmen, wird den Wählern nicht leicht gemacht. Politikverdrossenheit ist weit verbreitet und – gerade unter Tagebau-Opfern – auch nachvollziehbar. Wir rufen dennoch auf: Gehen Sie zur Landtagswahl! Gehen Sie hin, wenn Sie Brandenburg verändern wollen, aber gehen sie auch hin, wenn Sie nur noch ganz pragmatisch das geringste Übel wählen. Die einzelne Stimme hat diesmal sogar mehr Gewicht als 2009, weil die Wahlbeteiligung vermutlich geringer ausfällt. (2009 fielen Landtags- und Bundestagswahl zusammen.) Mit der gebotenen kritischen Distanz kommentiert der Kohle-Rundbrief hier die wichtigsten Wahl-Optionen in alphabetischer Reihenfolge:

AfD: die Klimawandel-Leugner
Nach dem Erfolg der AfD in Sachsen könnte auch dem Brandenburger Protestwähler der Finger jucken, dort sein Kreuz zu machen. Aber Achtung: für kohlekritischen Protest ist diese Partei absolut ungeeignet: Sie ist eng mit den berüchtigten Klimaskeptikern des sogenannten EIKEInstituts verwoben, das mit scheinwissenschaftlichen Argumenten den menschengemachten Klimawandel bestreitet und Lobbyarbeit gegen Erneuerbare Energien betreibt. EIKE-Vizepräsident Michael Limburg ist Mitglied der AfD und wirkt in deren Landesfachausschuss für Umwelt und Energie. Auch das Wahlprogramm ist eindeutig: „Braunkohle als strukturbestimmenden Wirtschaftsfaktor erhalten“ heißt es dort.

Bündnis90/Die Grünen: ökologische Opposition aus dem Speckgürtel
Die Bündnisgrünen sind die konsequenteste parteipolitische Stimme gegen neue Tagebaue in Brandenburg. Wobei sie das noch nicht in einer Regierungsbeteiligung beweisen mussten. Vor vielen Jahren hatte die bundespolitische Zustimmung zu Kriegseinsätzen große Teile der brandenburger Gründergeneration vertrieben, was die Grünen bis heute zur mitgliederschwachen „Wessi-Partei“ mit Schwerpunkt im Speckgürtel um Berlin macht. Das Gute daran: eine Austrittswelle wegen energiepolitischer Wortbrüche könnten sich die brandenburger Grünen überhaupt nicht leisten. In jedem Fall braucht Brandenburg eine ökologische Opposition im Landtag und die LINKE strebt diese Rolle ja nicht mehr an. In Umfragen stehen die Grünen genau an der 5 Prozent-Hürde. Ob sie die nehmen, wird übrigens ausschließlich mit den Zweitstimmen entschieden.

CDU: unten hui, oben pfui
„Für einen ausgewogenen Energiemix ist der Energieträger Braunkohle unverzichtbar. Investitionen in den Kraftwerkspark, Förderung der Braunkohleforschung aber auch der respektvolle Umgang mit den vom Tagebau betroffenen Gemeinden sind dabei wichtige Punkte.“ schreibt das selbstbewusst als „Regierungsprogramm“ titulierte Wahlprogramm der märkischen CDU. „Investitionen in den Kraftwerkspark“ bedeutet vermutlich ein neues Kraftwerk Jänschwalde, in der Folge also die Abbaggerung von Grabko, Kerkwitz und Atterwasch sowie (wegen der langen Laufzeit des Kraftwerkes) noch einen weiteren Tagebau. Von dieser Deutung muss man ausgehen, denn für Nachrüstungen an bestehenden Kraftwerken wird der Segen der Landespolitik gar nicht gebraucht. Dass zahlreiche Kommunalpolitiker der Partei seit Jahren mit guten Argumenten Sturm gegen neue Tagebaue laufen, scheint der CDU-Landesebene egal zu sein.
Solche Kritik äußert sich zwar bisher deutlich häufiger, öffentlicher und klarer als in der Brandenburger SPD. Von aussichtsreichen Listenplätzen wurde sie jedoch ferngehalten.

DIE LINKE: Kohlekritik mit Hintertürchen
Die LINKE hat bundes- wie landesweit klare Beschlüsse für den Ausstieg aus der Braunkohle gefasst. Die bisherige Regierungspolitik hat sich daran aber nur mit Worten, nicht mit Taten orientiert und nicht einmal die Spielräume des 2009 ausgehandelten Koalitionsvertrages genutzt.
Nach der Zustimmung aller vier linken Minister zum Braunkohlenplan Welzow II im Juni soll es der folgende Text im Landtagswahlprogramm richten: „Den Neubau von Braunkohlenkraftwerken lehnen wir ab. Wir setzen uns deshalb dafür ein, im Rahmen der Evaluierung der Energiestrategie im Jahre 2015 das begonnene Braunkohlenplanverfahren für den Tagebau Jänschwalde-Nord einzustellen. Den Neuaufschluss weiterer Tagebaue lehnen wir ab.“
Eine Grundlage für konsequentes Auftreten gegenüber dem voraussichtlichen Koalitionspartner SPD ist also da, wenn man sie nutzen will. Für alle anderen Fälle liefert der Verweis auf die Energiestrategie bereits die Ausrede mit: Die Entscheidung könnte an den für Energie zuständigen Fachminister delegiert werden. Der könnte wieder Ralf Christoffers heißen oder gleich von der SPD kommen. Dann könnte die angebliche energiepolitische Notwendigkeit des Tagebaues erneut in einem manipulierten Gutachten herbeigeredet werden und die Landes-LINKE wahlweise behaupten, dass der Tagebau leider doch notwendig sei oder man leider gegen die SPD keine Chance gehabt habe...
Unter diesen Umständen muss der Wähler abwägen, welches Vertrauen er zu den konkret handelnden Personen hat. Leichtgläubigkeit ist da erfahrungsgemäß fehl am Platze.

Piraten: kohlekritisch aber chancenlos
Die Piratenpartei bezieht in Brandenburg Position gegen neue Tagebaue, zuletzt auch mit deutlichen Wahlplakaten zu diesem Thema. Allerdings spielen sie in den landesweiten Umfragen praktisch keine Rolle mehr, so dass die 5-Prozent-Hürde für sie unerreichbar scheint.

SPD: Kohlelobby pur
Für einen SPD-Kandidaten in Brandenburg gehört Kohlelobbyismus unausgesprochen zur Stellenbeschreibung. Das Wahlprogramm schreibt: "Die Nutzung der heimischen Braunkohle ist auch von industriepolitischer Bedeutung, denn sie garantiert Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise. Brandenburg soll auch in Zukunft Energieexportland bleiben.“
Konkreter zu einzelnen Tagebauen wird der Text nicht, jeder weiß ja, dass er von der brandenburger SPD die jeweils größtmögliche weitere Abbaggerung zu erwarten hat. Der Ausbau der Erneuerbaren soll nicht etwa etwas daran ändern, sondern nur für zusätzliche Stromexporte sorgen. Sätze wie „Wir stehen zur Energiewende.“ bleiben da reine Dekoration. Kritik an dieser Linie existiert auch in der SPD und wächst vermutlich. Doch solange sie nicht einmal in die Öffentlichkeit dringt, bleibt die Partei das willenlose Ausführungsorgan der Kohlelobby. Dass das vielen SPD-Mitgliedern in anderen Bundesländern hochgradig peinlich ist, hilft dem Brandenburger Wähler wenig.

Zwei Außenseiter gegen Woidke
Nicht vergessen: Mit der Erststimme wählen Sie einen Direktkandidaten, mit der Zweitstimme eine Landesliste. Denn in einigen Wahlkreisen kandidieren Menschen, die in ihrer Partei gegen den Strom schwimmen. Besonders drastisch ist das Beispiel des Wahlkreises 41 (Forst, Guben, Schenkendöbern, Amt Peitz), also dort, wo der Tagebau Jänschwalde-Nord liegen würde. LINKE-Direktkandidatin Anke Schwarzenberg arbeitet bei Vattenfall und hat sich bei Ihrer Nominierung offen für die Abbaggerung von Grabko, Kerkwitz und Atterwasch ausgesprochen. Der Widerspruch zum Landtagswahlprogramm ist offensichtlich. Mit Listenplatz 17 könnte Anke Schwarzenberg auch ohne Direktmandat dem nächsten Landtag angehören.
Andersherum bei der CDU: Kandidatin Monika Schulz-Höpfner wohnt in Atterwasch und hat sich seit 2007 gegen den Tagebau und damit die Landeslinie ihrer Partei eingesetzt, zuletzt auch lausitzweit für die Belange Bergschadensbetroffener, deren Dachverband sie mit gegründet hat. Dafür wurde sie von der CDU mit einem völlig aussichtslosen Listenplatz abgestraft und wird dem nächste Landtag nicht mehr angehören, es sei denn sie gewinnt überraschend das Direktmandat. Überraschend deshalb, weil hier als haushoher Favorit der Ministerpräsident mit dem Rückenwind seiner landesweiten Medienpräsenz antritt. Doch der seit den 1990er Jahren als Kohlelobbyist bekannte Dietmar Woidke wäre politisch schon geschwächt, wenn er trotz Amtsbonus hinter sein 2009er Ergebnis zurückfiele. Die Wähler müssen sich zwischen echtem und falsch verstandenem Lokalpatriotismus entscheiden: Was nützt ihnen ein Ministerpräsident aus dem eigenen Wahlkreis, wenn er diesen Wahlkreis abbaggern lassen will?


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